Gericht: Häftling darf Geschlechtsanpassung durchführen
Menschenrechte enden nicht an Gefängnismauern
Transsexuelle Menschen haben auch in Haft das Recht auf Geschlechtsanpassung. Das hat in einer bahnbrechenden Entscheidung nun ein Gericht entschieden und der Justizanstalt die Einleitung der Behandlung aufgetragen. Der rechtlich noch männliche inhaftierte Beschwerdeführer lebt seit vielen Jahren unter der zwanghaften Vorstellung, dem weiblichen Geschlecht zuzugehören. Er fühlt sich im falschen Körper geboren und dem weiblichen Geschlecht zugehörig. Er sehnt sich danach, als Angehörige des anderen Geschlechtes zu leben und als solche akzeptiert zu werden, und den eigenen Körper durch chirurgische und hormonelle Behandlungen dem weiblichen Geschlecht anzugleichen.
Transsexualismus gilt als Krankheit (ICD 10 F64.0; DSM V: Geschlechtsdysphorie), deren notwendige Behandlung, bei entsprechendem Wunsch der Betroffenen, im geschlechtsanpassenden Transformationsprozess besteht. Diese Behandlung den Betroffenen zu verweigern, kann schwere und nachhaltige Schädigungen verursachen. Verweigerung der geschlechtsanpassenden Behandlung stellt eine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung dar (EGMR: L. v Litauen 2007).
Der Anstaltsleiter hat den Antrag auf Einleitung der Behandlung ignoriert. Das Landesgericht für Strafsachen Wien hat ihm mit Beschluss vom 29.04.2016 (190 Bl 11/16x) nun aufgetragen, den Behandlungsprozess einzuleiten.
Österreich befindet sich bei der Verwirklichung der Rechte transidenter Menschen international unter den führenden Staaten nachdem das Rechtskomitee LAMBDA (RKL) beim Verfassungsgerichtshof und beim Verwaltungsgerichtshof 2006 den Scheidungszwang und 2009 den Operationszwang als Voraussetzungen für die Geschlechtsanpassung erfolgreich bekämpft hat.
"Die Entscheidung ist bahnbrechend", sagt Dr. Helmut Graupner, Rechtsanwalt des Beschwerdeführers und Präsident des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente und intersexuelle Menschen, "Menschenrechte enden nicht an den Gefängnismauern, auch nicht für transidente Menschen, die es in Haft ohnehin oft besonders schwer haben".