Verfassungsgerichtshof hebt Adoptionsverbot auf
Rechtskomitee LAMBDA (RKL): „Nun muss das Eheverbot fallen“
Im Zuge der aktuellen Klagsoffensive des Rechtskomitees LAMBDA (RKL), Österreichs LGBT-Bürgerrechtsorganisation, hat der Verfassungsgerichtshof das Adoptionsverbot für gleichgeschlechtliche Paare aufgehoben. Das RKL fordert die umgehende Aufhebung des Eheverbotes, das nun endgültig jede Grundlage verloren hat.
Die beiden, von RKL-Präsident Graupner vertretenen, vor dem VfGH siegreichen Frauen sind seit über 15 Jahren ein Paar und haben gleich nach Einführung der eingetragenen Partnerschaft eine solche miteinander geschlossen. Die beiden leben mit der leiblichen Tochter einer der beiden Partnerinnen in einer harmonischen stabilen Familiengemeinschaf. 2013 wurde das Kind von der anderen Partnerin, der Stiefmutter, adoptiert, sodaß nun beide rechtliche Mütter des Kindes sind. Die beiden Frauen wünschen sich für ihre Tochter ein Geschwisterchen und möchten einem adoptionsbedürftigen Kind (aus dem In- oder Ausland) treusorgende (Adoptiv)Eltern werden. Genau so wie viele verschiedengeschlechtliche Paare in vergleichbarer Situation auch. Sie freuen sich auf ihr zweites Kind und darauf, mit ihrem ersten Kind und dem Adoptivkind ein glückliches Familienleben zu führen. Das verbietet ihnen das österreichische Gesetz jedoch.
Kindeswohlprüfung war verboten
Während bei Ehepaaren deren Eignung zur Adoption jeweils im Einzelfall durch ein Gericht geprüft wird, werden gleichgeschlechtliche Paare generell und von vornherein pauschal ausgeschlossen und den Gerichten verboten, zu entscheiden, was für das Kind im jeweiligen konkreten Fall das Beste ist.
Jeder der beiden Partner einer eingetragenen Partnerschaft darf als Einzelperson ein Kind adoptieren. Dieses Kind darf also mit staatlicher Bewilligung in einer Regenbogenfamilie aufwachsen, es darf aber - anders als leibliche Kinder - nicht von dem anderen Partner adoptiert werden. Damit werden dem Kind Unterhalts-, Erb-, Obsorge- und andere Ansprüche gegen den Siefelternteil vorenthalten. In eingetragene Partnerschaften adoptierte Kinder werden also - wegen des Geschlechts und der sexuellen Orientierung ihrer Eltern - gegenüber in Ehen adoptierten Kindern schwer diskriminiert.
Auch Auslandsadoptionen verboten
Von den Verteidigern des Adoptionsverbots wird lediglich damit argumentiert, dass in Österreich ohnehin weniger Kinder zur Adoption stehen als es adoptionswillige Paare gibt, sodass nur verschiedengeschlechtliche Paare zugelassen werden sollten. Dieses Argument kann jedoch in keiner Weise rechtfertigen, den Gerichten von vornherein pauschal und generell (auf Grund des Geschlechts und der sexuellen Orientierung der Adoptiveltern) die Einzelfall-Prüfungsbefugnis zu entziehen, ob eine Adoption dem Wohl des betroffenen konkreten Kindes entspricht. Würde man bei diesem Argument gleichgeschlechtliche Paare durch Paare anderer Religion oder ethnischer Herkunft ersetzen, würde das Argument im Hals ersticken …
Zum anderen verbietet das Gesetz nicht nur die Adoption im Inland sondern macht es auch den Landesregierungen unmöglich, gemäß dem Haager Kinderschutzübereinkommen an Auslandsadoptionen durch gleichgeschlechtliche eingetragene Paare mitzuwirken. Viele Staaten in allen Teilen der Welt erlauben die gemeinsame Adoption durch gleichgeschlechtliche Paare. In diesen Ländern warten viele Kinder auf Adoptiveltern. Das österreichische Gesetz verbietet auch deren Adoption durch österreichische gleichgeschlechtliche eingetragene Paare.
In Europa einzigartige Rechtslage
Mit seiner aktuellen Klagsoffensive hat das Rechtskomitee LAMBDA (RKL), Österreichs Bürgerrechtsorganisation für homo- und bisexuelle sowie transidente Menschen, bereits zahlreiche Erfolge für gleichgeschlechtliche Paare erzielt. So hat es das Bindestrichverbot zu Fall gebracht (VfGH 22.09.2011, B 518/11), die nachträgliche Annahme eines Doppelnamens (VfGH 03.03.2012, G 131/11) und die gleiche Zeremonie wie bei der Eheschließung (VfGH 12.12.12, B 121/11, B 137/11) erkämpft, den Amtsraumzwang beseitigt (VfGH 29.06.2012, G 18, 19/2012) und das Verbot der medizinisch unterstützten Fortpflanzung für lesbische Paare zu Fall gebracht (VfGH 10.12.2013, G 16/2013, G 44/2013).
Mit seinem jetzt bekanntgegebenen Erkenntnis vom 11.12.2014 (VfGH 11.12.2014, G 119-120/2014) ) hat der Verfassungsgerichtshof, als erstes Gericht Europas, nun auch das Verbot der gemeinsamen Adoption aufgehoben und ausgeführt, dass dieses Verbot gleichgeschlechtliche Paare diskriminiert und das Kindeswohl verletzt. Jeder der beiden Partner/innen kann bereits jetzt als Einzelperson ein Kind adoptieren, das dann mit dem gleichgeschlechtlichen Paar lebt. Die gegenwärtige Rechtslage verbietet diesem Kind jedoch ein rechtlich gesichertes Verhältnis zum zweiten sozialen Elternteil sowie Unterhalts- und Versorgungsansprüche diesem gegenüber. Gleichgeschlechtliche Paare sind zudem nicht weniger als Eltern geeignet als verschiedengeschlechtliche, so die Verfassungsrichter/innen. Das Urteil stellt den sechsten Erfolg der RKL-Klagsoffensive dar, wobei das Verfahren dankenswerterweise auch durch eine Unterstützung der Antragstellerinnen durch den Verein Frauenrechtsschutz (www.frauenrechtsschutz.at) ermöglicht worden ist..
Gleiches Recht, Familien zu gründen
Gemäß dem Urteil tritt das Adoptionsverbot mit 31.12.2015 außer Kraft. Österreich ist damit das einzige Land Europas, das homosexuellen Paaren volle Adoptionsrechte gewährt und ihnen trotzdem die Ehe verbietet. Gleichgeschlechtliche Paare haben jetzt die gleichen Rechte auf Familiengründung wie heterosexuelle Paare, heiraten dürfen sie aber immer noch nicht. Als der Verfassungsgerichtshof 2012 noch das Eheverbot aufrechterhalten hatte (VfGH 09.10.2012, B 121/11, 137/11), gab es für gleichgeschlechtliche Paare weder die Stiefkindadoption noch die gemeinsame Adoption noch die medizinisch unterstützte Fortpflanzung. Mittlerweile befürworten nach aktuellen Umfragen auch zwei Drittel der ÖsterreicherInnen die Aufhebung des Eheverbotes.
"Das Eheverbot hat nun endgültig seine Rechtfertigung verloren und auch Kinder in Regenbogenfamilien sollen die Möglichkeit erhalten, eheliche Kinder zu sein" sagt der Präsident des RKL und Rechtsanwalt der beiden Frauen Dr. Helmut Graupner, „Wir fordern eine umgehende freie Abstimmung im Parlament, damit die Abgeordneten frei darüber entscheiden können, ob sie den Menschenrechten und dem Volkswillen entsprechen wollen oder nicht“.