Verfassungsgerichtshof prüft Eheverbot
Kinder klagen, weil ihre Eltern nicht heiraten dürfen
Kinder mit zwei Müttern oder zwei Vätern müssen in Österreich zwangsweise unehelich sein, weil ihre Eltern nicht heiraten dürfen. Fünf Kinder klagen nun, gemeinsam mit ihren Eltern, gegen das Eheverbot. Damit ihre Eltern heiraten dürfen. Und sie auch eheliche Kinder sein dürfen, so wie ihre Altersgenossen mit einem Vater und einer Mutter. Das Verwaltungsgericht Wien hat das Eheverbot letzten Dezember - mit haarsträubender Begründung - verteidigt. Die Familien haben den Verfassungsgerichtshof angerufen, der die Fälle nun prüft. Mit einer Entscheidung kann noch in diesem Jahr gerechnet werden.
Österreich gewährt heute gleichgeschlechtlichen Paaren genau die gleichen Familiengründungsrechte wie verschiedengeschlechtlichen Paaren auch (Stiefkindadoption, Fremdkindadoption, medizinisch unterstützte Fortpflanzung, automatische gemeinsame Elternschaft bei eingetragenen lesbischen Paaren, Mutterschaftsanerkennung bei nicht eingetragenen lesbischen Paaren analog der Vaterschaftsanerkennung bei unehelichen Kindern).
Dennoch müssen ihre Kinder zwangsweise unehelich sein. Ihre Eltern dürfen, anders als die Eltern ihrer AltersgenossInnen, nicht heiraten, bloß weil sie zwei Väter oder zwei Mütter sind, anstatt eine Mutter und ein Vater.
Einziger Staat der Welt
Österreich ist der einzige Staat der Welt (!) mit solch einer Rechtslage. Alle anderen Länder der Welt, die homosexuellen Paaren volle Adoptions- und Elternrechte gewähren, lassen die Eltern dieser Kinder (selbstverständlich) auch heiraten.
Zuletzt hat der Verfassungsgerichtshof 2012 das Eheverbot als grundrechtskonform beurteilt, weil die Zivilehe „auf die grundsätzliche Möglichkeit der Elternschaft" ausgerichtet sei, was sie von „Beziehungen anderer Art" unterscheide (VfGH 09.10.2012, B 121/11, B 137/11 Rz 32). Dieses Argument ist heute weggefallen. 2012 gab es noch gar keine (!) Familiengründungsrechte für gleichgeschlechtliche Paare; heute sind es absolut idente.
Homosexuelle Partnerschaften sind daher in der österreichischen Rechtsordnung heute genauso auf die Möglichkeit der Elternschaft ausgerichtet wie heterosexuelle. In den fünf jetzt klagenden Familien haben die Kinder ebenso zwei rechtlich vollwertige und gleichberechtigte Eltern wie die Kinder mit einem Vater und einer Mutter.
Bereits 1986 hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) die Verletzung der Menschenrechte eines Kindes festgestellt, weil dessen Eltern nicht heiraten durften (Johnston v IRL). Damals war in der Republik Irland die Ehescheidung verboten und der Vater des Kindes noch mit einer anderen Frau als der Mutter des Kindes verheiratet.
"Noch nicht in allen Parteiprogrammen"
Am 21. Dezember 2015 hat das Verwaltungsgericht Wien die, zum Teil vom Verein Frauenrechtsschutz unterstützten, Beschwerden der Familien abgewiesen. Mit äusserst haarsträubender Begründung: die gesellschaftliche und rechtliche Situation von gleichgeschlechtlichen Paaren habe sich in den letzten Jahren zwar dramatisch geändert, die Forderung nach Aufhebung des Eheverbots habe aber noch nicht in die Programme aller Parteien Eingang gefunden (sic) ...
Die Familien haben, zum Teil mit Unterstützung des Grün-Alternativen Verein zur Unterstützung von BürgerInneniniativen, den Verfassungsgerichtshof angerufen, der die Fälle nun prüft. Mit einer Entscheidung kann noch in diesem Jahr gerechnet werden.
"Österreich hat den 2., 3., 4., 5. Schritt vor dem ersten gemacht", sagt Dr. Helmut Graupner, Erstunterzeichner der Bürgerinitiative Ehe Gleich! (www.ehe-gleich.at) und Rechtsanwalt der fünf Familien, "Für das Wohl der Kinder muss das Eheverbot fallen"