Das Strafrechtsänderungsgesetz (StRÄG) 2002 wurde heute im Bundesgesetzblatt veröffentlicht (BGBl I 134/2002, S. 1407). Gem. Art. I Z. 19b des StRÄG (S. 1410) wird § 209 StGB aufgehoben. Gem. Art. IX StRÄG 2002 (S. 1421) (iVm Art. 49 Abs. 1 B-VG) tritt § 209 StGB mit Ablauf des heutigen Tages außer Kraft. Die Übergangsbestimmungen finden sich in Art. X StRÄG (S. 1422); demgemäß ist § 209 StGB (wie eh und eh) in allen Verfahren anzuwenden, in denen am 14.08.2002 (0.00) das Urteil erster Instanz bereits gefällt sein wird.
Volltext des StRAG auf www.bgbl.at
Plattform gegen § 209 fordert vollständige Tilgung und angemessene Entschädigung. Im berüchtigten § 209-Liebesbrief-Fall, in dem im Vorjahr ein Mann wegen seiner Liebesbeziehung mit einem 16jährigen zu einer Freiheitsstrafe von 15 Monaten, davon fünf Monate ohne Bewährung, verurteilt worden ist, hat Bundespräsident Klestil mit Entschließung vom 31. Juli die Hemmung des restlichen Strafvollzugs angeordnet.
Wie soeben bekannt wurde hat es der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte abgelehnt, die Beschwerde eines 16jährigen homosexuellen Jugendlichen zu behandeln, bei dem eine Schädelprellung festgestellt worden war, nachdem er sich bei einer Einvernahme durch Wiener Kriminalbeamte geweigert hatte, seine Sexualpartner bekannt zu geben. Auch der Umstand, daß in Österreich über die Beschwerde gegen die Bundespolizeidirektion Wien lediglich ein von dieser abhängiger Polizeibeamter entschieden hat, ist für die Straßburger Richter kein Problem.
News-PA-misshandlung-020805.pdf
Die Entscheidung des EGMR im Wortlaut
Die Beschwerde an den EGMR im Wortlaut (Auszug)
Justizminister Böhmdorfer hat auf Anfrage von RKL-Kuratoriumsmitglied und grünen Justizsprecherin Mag. Terezija Stoisits genaue Daten zur § 209-Verurteiltenstatistik 2001 und zu den gegenwärtig immer noch nach § 209 Gefangenen bekannt gegeben. Erschütterndster Fall: ein Mann wurde im Vorjahr vom Landesgericht Korneuburg nur wegen § 209 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen. Er war unbescholten (!) und wird nach wie vor angehalten.
Bild: Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer
§ 209neu inakzeptabel. Die Vorgänge rund um die panikartige Schaffung eines Ersatzes für den verfassungswidrigen § 209 StGB soll nun Vizekanzlerin Riess-Passer die Mitgliedschaft im Kuratorium des Rechtskomitees LAMBDA (RKL) kosten. Wie die Bürgerrechtsorganisation heute mitteilte, sei es inakzeptabel, der Verfolgung, Willkür, Diskriminierung und Erpressung weiterhin Tür und Tor offen zu halten. Eine Ersatzregelung für Unrecht ist ebenfalls Unrecht und verletzt daher die fundamentalen Ziele und Grundsätze der 1991 gegründeten Vereinigung. Ohne Zustimmung der Obfrau ist die diesbezügliche Initiative der FPÖ nicht denkbar.
Bild: Vizekanzlerin Dr. Susanne Riess-Passer
Plattform gegen § 209 an SPÖ und Grüne: die heutige Debatte wird genau verfolgt werden. § 209 neu ist, wie es scheint, nicht mehr zu verhindern. Die Plattform gegen § 209 richtet daher an SPÖ und Grüne den flammenden Appell, in die Hand zu versprechen, daß sie, sobald sie die Möglichkeit dazu haben, die neue Unrechtsbestimmung wieder beseitigen werden.
News-PA-209neu-SP-Gruene-020710.pdf
Brief-SPÖ
Brief-Grüne
§ 207b im Wortlaut mit Begründung
Neuerliche Anfrage der Abg. Terezija Stoisits an Gesundheitsminister Haupt. Auszug, Zitat: "Warum verlangen die Gesundheitsbehörden in ihren Verhaltensregeln in bezug auf Hiv (Safer Sex Regeln) nach wie vor generell und ohne Differenzierung die Verwendung eines Kondoms beim Oralverkehr, obwohl, wie Sie selbst mitgeteilt haben, mittlerweile erkannt wurde, dass bei Oralverkehr einer Hiv-positiven Person an einer Hiv-negativen Person grundsätzlich kein Infektionsrisiko besteht ... ?"
Plattform gegen § 209 fordert die sofortige Freilassung aller Gewissensgefangenen und die Entschädigung aller Opfer des Schandparagraphen. Die heute bekannt gewordene Aufhebung des anti-homosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 StGB durch den Verfassungsgerichtshof ist für die Plattform gegen § 209 Grund zur Freude, aber nicht zum Jubel. Von einem wirklichen Anschluß an Europa kann auch jetzt noch keine Rede sein. Dazu müssten Schutzbestimmungen gegen Diskriminierungen erlassen sowie gleichgeschlechtliche Partnerschaften und Familien rechtlich anerkannt werden.
Überraschende Wende im Fall des "Kärntner Oralsex-Urteils": Justizminister Böhmdorfer hat nun die Staatsanwaltschaft Klagenfurt beauftragt, das Wiederaufnahmeverfahren einzuleiten.
Gesundheitsminister Haupt wiederum ließ wissen, daß die Gesundheitsbehörden nach wie vor bei Oralsex stets die Verwendung eines Kondoms verlangen, obwohl mittlerweile erkannt wurde, daß nicht bei jedem Oralsex auch eine relevante Ansteckungsgefahr besteht. Die Informationsmaterialien der Aids-Hilfen, die diesen heutigen Erkenntnissen entsprechen, sollen an die veralteten Regeln der Gesundheitsbehörden angepasst werden.
Im vergangenen Jahr hat das Landesgericht Wiener Neustadt, vor dem auch der berüchtigte "Liebesbrief-Fall" verhandelt worden ist, einen unbescholtenen Mann zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Sein "Verbrechen" lag darin, daß er einverständliche sexuelle Kontakte mit 15 bis 17jährigen jungen Männern hatte und dadurch das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz § 209 StGB übertrat. Dies gab Justizminister Böhmdorfer in Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage der grünen Justizsprecherin Terezija Stoisits bekannt. Dabei enthüllte er weitere drei Fälle, in denen über unbescholtene "Ersttäter" Freiheitsstrafen in der Höhe von 1 ¼ bis 1 ½ Jahren verhängt wurden.
Bild: Justizminister Dr. Dieter Böhmdorfer
News-Anfrage-JM-Stat-020219-PA.pdf
22. April 2002: Antwort (Böhmdorfer)
27. Februar 2002: Anfrage