Nur 2 Wochen auf Bewährung für vorbestraften Gewalttäter. Rechtskomitee LAMBDA: „Geradezu eine Einladung zu weiteren Übergriffen“. Nicht einmal zwei Wochen nach dem Abschluß des Wiener Erpressungsfalles, in dem Polizei und Gericht vorbildhaft gegen Gewalt an Homosexuellen aufgetreten sind, erschüttert nun ein ganz gegenteiliger Fall das Vertrauen homo- und bisexueller Frauen und Männer in den Schutz durch den Rechtsstaat. In Wien wurde gestern ein junger Mann, der einen Homosexuellen niedergeschlagen hatte, zu nur zwei Wochen Haft verurteilt. Diese exorbitant geringe Freiheitsstrafe wurde auch noch zur Bewährung ausgesetzt, obwohl der Täter vorbestraft war und beharrlich die angeordnete Bewährungshilfe verweigert hat. Seine beiden Mittäter wurden erst gar nicht angeklagt.
Bisexueller Mann nur probeweise aus Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher entlassen. Plattform gegen § 209: „Eine Schande“. Zerschlagen haben sich die Hoffnungen, dass die Opfer des 2002 aufgehobenen anti-homosexuellen Sonderstrafgesetzes § 209 unter dem neuen Bundespräsidenten Gnade finden werden. Ein bisexueller Mann, der 1999 ausschließlich auf Grund des § 209 in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen und 2001 aus dieser Anstalt nur auf Bewährung entlassen wurde, wird nicht begnadigt, weil sich Justizministerin Miklautsch weigert, dem Bundespräsidenten eine solche Begnadigung vorzuschlagen.
Im grossen Wiener Erpressungsfall vom letzten Sommer findet die Hauptverhandlung gegen die jugendliche Erpresserbande vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien statt am: Mittwoch, 19. Jänner 2005 (09.00-12.00), Wien 8, Wickenburggasse 22, Saal 106 (1. Stock). Die Verhandlung und das Urteil dürfen mit Spannung erwartet werden. Die Verhandlung ist öffentlich. Jede/r, der/die mindestens 14 Jahre alt und unbewaffnet ist, hat Zutritt. Es wird jedoch darauf hingewiesen, daß jede Veröffentlichung, die Rückschlüsse auf die Identität der Opfer zuläßt, verboten ist.
RKL kritisiert den heute vorgelegten Verfassungsentwurf des Vorsitzenden des Österreich-Konvents. Dr. Franz Fiedler schlägt darin zwar ein grundsätzliches Verbot von Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung vor, diskriminiert dann aber an anderer Stelle des Entwurf selbst wieder homo- und bisexuelle Frauen und Männer. Art. 34 Absatz 2 des Fiedler-Entwurfs verbietet ausdrücklich Diskriminierung auf Grund sexueller Orientierung. Dies steht im Einklang mit der europäischen Rechtsentwicklung und ist nachdrücklich zu begrüßen. Im Gegensatz dazu beschränkt jedoch Art. 59 des Entwurfs das Recht, eine Ehe einzugehen, ausdrücklich auf „Mann und Frau“ (Abs. 1). Verschärft wird diese Benachteiligung gleichgeschlechtlicher Paare dabei noch dadurch, dass solche verschiedengeschlechtlichen Ehen auch noch unter den besonderen Schutz des Staates gestellt werden (Abs. 2). Damit wird gleichsam das in Österreich immer noch bestehende Eheverbot für gleichgeschlechtliche Paare in die Verfassung gehoben.
Bild: Vorsitzender des Österreich-Konvents, Dr. Franz Fiedler
Rechtskomitee LAMBDA: Andere Parteien müssen diesem historischen Schritt folgen. Der kürzlich zu Ende gegangene Bundesparteitag der SPÖ hat einen sensationellen Beschluß zur Gleichstellung homosexueller Paare gefaßt. Neben der sofortigen Einführung einer eingetragenen Partnerschaft (samt Stiefkindadoption) peilen die Sozialdemokraten die anschließende völlige Öffnung des Eherechts für Homosexuelle an. Immer Staaten heben eines der letzten Eheverbote, jenes der Gleichgeschlechtlichkeit, auf. Nach den Niederlanden, Belgien, Kanada und Teilen der USA hat letzten Dienstag auch die Republik Südafrika diesen Schritt gesetzt. Der Oberste Gerichtshof des Landes hat die Beschränkung der Ehe auf verschiedengeschlechtliche Paare für menschenrechtswidrig erklärt. In Spanien und Schweden steht die Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare bevor, und der Oberste Gerichtshof Luxemburgs wiederum hat die Pläne der Regierung für eine eingetragene Partnerschaft kritisiert; Gleichbehandlung sei nur durch die Möglichkeit der Eheschliessung zu erreichen.
News-PA-041202-spoe-gleichstellung.pdf
Bundesparteitagsbeschluss
Univ.-Lekt. Dr. Helmut Graupner: Unzucht oder Menschenrecht? Sexualität und Recht im dritten Jahrtausend
Universität Innsbruck, Wahlfachstudiengang Interdisziplinäre Sexualwissenschaft (Koordinator: Ao. Univ.-Prof. Dr. Josef Christian Aigner).
05.11/06.11.2004 und 26./27.11.2004, jeweils 10.00-17.00 (Lv.Nr.:603202)
Inhalt: In den Augen des Rechts ist Sexualität traditionell etwas zu Bändigendes, vor dem die Rechtsunterworfenen geschützt werden müssen. Wenn auch heute niemand mehr für "widernatürliche Unzucht" verbrannt oder für Selbstbefriedigung in die Verbannung geschickt wird, so ist die negative Grundeinstellung des Gesetzgebers zu Sexualität und geschlechtlicher Lust in unserer Rechtsordnung doch immer noch allgegenwärtig. Einseitig wird nur die Freiheit vor Sexualität geschützt. Erst in jüngster Zeit entwickelt sich die Überzeugung, daß auch die Freiheit zu Sexualität ein schützenswertes (Grund)Recht ist. Dieses neu erkannte Menschenrecht ist aber von einer konsequenten und umfassenden Umsetzung und Respektierung noch weit entfernt. In Form von theoretischen Erklärungen und illustrativen Fallbeispielen soll deshalb der gegenwärtige Umgang unserer Rechtsordnung mit Sexualität in all seiner Widersprüchlichkeit dargestellt und künftige Entwicklungsmöglichkeiten diskutiert werden.
Plattform gegen § 209 fordert Rehabilitationsgesetz ein. Mit einem gestern bekannt gegebenen Urteil (Woditschka & Wilfling gegen Österreich) hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte Österreich neuerlich wegen der jahrelangen strafrechtlichen Verfolgung homo- und bisexueller Männer verurteilt. Die Aufhebung des § 209 ändere nichts daran, dass die nach dem antihomosexuellen Sonderstrafgesetz Verurteilten nach wie vor Opfer sind. Die Republik Österreich muß den Beschwerdeführern EUR 61.000,-- Schadenersatz zahlen.
Wir trauern um unseren lieben Freund und juristischen Begleiter, Herrn RA. Dr. Otto Dietrich, der uns am 21. August nach langer und mit bewundernswert großer Würde ertragener Krankheit im 71. Lebensjahr für immer verlassen hat. Dr. Otto Dietrich war einer der großen juristischen Vorkämpfer auf der Seite der LesBiSchwulen Community: Als Anwalt der Homosexuellen Initiative HOSI Wien vertrat er den von dieser lancierten und getragenen rechtlichen Kampf gegen den Diskriminierungsparagraphen 209 StGB bis vor den Verfassungsgerichtshof und darüber hinaus.
Landesgericht für Strafsachen Wien. Plattform gegen § 209 fordert Rehabilitierung und Entschädigung aller Opfer. Zwei Jahre nach Aufhebung des anti-homosexuellen § 209 stand heute wieder ein Mann wegen dieses Sonderstrafgesetzes vor dem Richter. Vor sieben Jahren war der damals 29jährige Mann zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 6 Monaten verurteilt worden, weil er mit einem 15jährigen jungen Mann im beiderseitigen Einverständnis Sex hatte. Er erhob Beschwerde an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte, der ihm am 9. Jänner des Vorjahres Recht gegeben und die Republik Österreich zu Schadenersatzzahlungen verurteilt hat (L. & V. vs. Austria).
Plattform gegen § 209: „Die Rechnung der Regierung ist voll aufgegangen“. Wie aus der jüngsten Anfragebeantwortung von Justizministerin Mag. Karin Miklautsch (XXII. GP 2020/AB) hervorgeht, wird § 207b StGB, die 2002 eingeführte Ersatzbestimmung für das anti-homosexuelle Sonderstrafgesetz § 209 StGB, immer noch nahezu ausschließlich gegen gleichgeschlechtliche Kontakte angewandt. Mehr als drei Viertel (78%) der im ersten Halbjahr 2004 bei Gericht eingeleiteten Strafverfahren erfolgten wegen männlich-homosexueller Beziehungen. Inhaftiert wurden nach dem § 209-Ersatzgesetz ausschließlich homosexuelle Männer.
Bild: Justizministerin Mag. Karin Miklautsch
News-PA-Anfrage-JM-Stat-040914.pdf
Anfrage
Beantwortung im Wortlaut